Fotografischer Spaziergang von Michael Streun –
durch Berlin mit Robert Walser
Während des halbjährigen Stipendien-Aufenthaltes 2017 in Berlin (beim Halensee im Bezirk Charlottenburg) habe ich unter anderem den Schweizer Schriftsteller Robert Walser (1878 – 1956) in mehreren Arbeiten thematisiert; zum Beispiel mit der 176-tägigen Fotoarbeit «Berlin gibt immer den Ton an» und der 25-minütigen Videoarbeit «Der Spaziergang – Hommage an Robert Walser».
Seither entdecke ich Berlin mit meinem «Malerauge» bei jedem weiteren Besuch gerne spazierend, wie es bereits Robert Walser zu seiner Zeit getan hat.
Unweit von Halensee wohnten einst auch die beiden Brüder Karl und Robert Walser. An der Kaiser-Friedrich-Strasse 70 befindet sich noch heute eine Gedenktafel, die an sie erinnert. Karl war ein bekannter Bühnenbildner (an verschiedenen Theatern sowie an der Schaubühne) und auch Kunstmaler, während Robert im Spätsommer 1905 vorerst einen Kurs zur Ausbildung als Diener absolvierte.
Die Thematik des Dienens und des Spazierens und Flanierens durchzog
in der Folge das Werk von Robert Walser. In Berlin schrieb der Schweizer zuerst den Roman Geschwister Tanner, danach seinen zweiten Roman Der Gehülfe, der 1908 erschien. Im Jahr darauf beendete er seinen Roman Jakob von Gunten.
Darüber hinaus schrieb Robert Walser in seiner Berliner Zeit Prosastücke, in denen er sprachspielerisch und subjektiv aus der Sicht eines ärmlichen Flaneurs populäre Lokale wie beispielsweise das «Aschinger» und die «Gebirgshallen» skizziert.
Nach meinem Stipendienaufenthalt besuchte ich jedes Jahr Berlin und schlenderte durch die Kieze. Auf diesen Streifzügen begann ich, Graffitis, Tags, Schmierereien, Kleber, zerrissene Plakate etc. im Zusammenhang mit der Architektur zu fotografieren. Genau genommen halte ich davon lediglich Ausschnitte fest und zwar dann, wenn sich aus der Kombination daraus ein abstraktes Bild ergibt. Diese Zeitdokumente im urbanen Raum an Objekten und Gebäuden, die zunehmend durch Renovationen, Übermalungen und Abrisse verschwinden, finde ich spannend. Die Fotografien im Katalog sind über die letzten fünf Jahre entstanden. Bis auf weiteres ergänze ich das Projekt mit neuen Sujets, die ich in Berlin finde und festhalte.

Katalog – Fotografischer Spaziergang von Michael Streun –
durch Berlin mit Robert Walser (pdf)

Remoulins 2019
Am Ufer des Flusses Gardon entstand diese Serie von «Uferfratzen».
Auf der linken Seite des Fotos ist immer die Spiegelung zu sehen.

Berlin 2017
«Eine Stadt wie Berlin ist ein ungezogener, frecher intelligenter Bengel.» Robert Walser
Seit Tagen keine Sonne. Und kalt, ja scheisskalt ist es immer noch. Schon bald Mitte März und immer noch haut es mir diese steife Berliner Brise um die Ohren. Sitze nun in einem Café in der Berliner Mitte und taue auf. Hier drinnen ist es ist laut, lärmig, hektisch. Es wird gemixt, geschnorrt und gequasselt, gerufen, gemahlen – laute Technomusik knallt ununterbrochen von der Decke – und dieser Lärmbrei quetscht sich in meine Gehörgänge.

Berlin 2017 / HALENSEE(RIE)
«Ein Spaziergang ist immer voll sehenswerter und fühlenswerter bedeutender Erscheinungen.» Robert Walser
Wenn ich intensiver im Atelier arbeitete oder mich den Herausforderungen der Grossstadt mal nicht stellen wollte oder mochte, war mir der nahe gelegene Halensee ein willkommener Zufluchts- und Inspirationsort.
Dort konnte ich entspannen, schreiben und fotografieren. Mit Neugier beobachtete ich dabei den kleinen See und dessen Umgebung in der Entwicklung vom Winter bis in den Sommer hinein.

Berlin gibt immer den Ton an
Während meines Stipendiumaufenthalts in Berlin 2017, angeregt durch Robert Walsers Zitat «Berlin gibt immer den Ton an», machte ich während 176 Tagen jeden Tag um die selbe Zeit eine Aufnahme von der Halenseebrücke. Diese Fotos wandelte ich im Computer mittels Programm in einen Durchschnittsfarbton um und baute damit die Fotocollage «176 Farb-Ton-Tage in Berlin».